Vom Farbcode #930000, roten Tulpen und einer Portion Überwindung
„Wenn der Frühling kommt,
dann schick ich dir Tulpen aus Amsterdam.
Wenn der Frühling kommt,
dann pflück ich dir Tulpen aus Amsterdam.“*
Es ist Frühling… oder so ähnlich. Wie so oft in den letzten Jahren hat sich der Winter zurückgehalten, nur um sich jetzt im Frühling nochmal mit Schnee und Minustemperaturen zurückzumelden. Trotz allem sind die Tulpen schon seit Januar in diversen Farben, vor allem aber in einem leuchtenden Rot, bei allen Blumenhändlern zu bekommen. Meine Tulpen im Rosenbeet machen sich da eher noch rar. Die Blätter sind da und die eine oder andere Knospe lugt schon hervor, aber auf das knallende Rot muss ich wohl noch bis Ende April warten. Nichtsdestotrotz ist Tulpenrot meine Frühjahrsfarbe.
Zu meinem Geburtstag Mitte Januar kam der erste Frühjahrsgruß von unseren Nachbarn in Tulpenrot um die Ecke und da war es eigentlich schon klar für mich. Aus 2 Gründen habe ich aber trotzdem mit mir gehadert:
Tulpenrot knallt und meine Webseite in ein Tulpenrot zu tauchen kostete mich einiges an Überwindung.
Findet man zur Zeit wirklich so viel Tulpenrot in der Natur? Nach einigen aufmerksamen Spaziergängen und Arbeiten im Garten ist meine klare Antwort: Jein.
Denn während die ersten Blüten eher in sanften Violetttönen, Weiss, Hellblau oder Gelb daherkommen, so sind doch fast alle jungen Triebe an den Bäumen, Büschen oder auch Rosen je nach Sorte entweder hellgrün oder knallrot. Tatsächlich ist die Tulpe aber mit ihrer strahlend rot leuchtenden Blüte im Frühling eher ein Unikat unter den Blumen und trotzdem eine der bekanntesten sowie markantesten Frühjahrsblüher. Ich werde jetzt keine Exkursion in die Geschichte der Tulpe vornehmen, allerdings lohnt es sich für Interessierte mal zu googeln, denn um die frühen Liliengewächse ranken sich diverse Sagen und Anekdoten rund um den Globus. Eine Antwort zu meinen zig Fragen bezüglich der Tulpe werde ich aber hier teilen. Warum finden wir so oft rote Tulpen im Garten, obwohl man die Zwiebeln in so vielen verschiedenen Farbvarianten kaufen kann? Viele der heutigen Züchtungen sind Hybride aus zwei verschiedenen Tulpensorten und eine der am meisten genutzten Tulpensorten ist ursprünglich rot. Jetzt kommt der gute Darwin ins Spiel. Hybride sind anfälliger und somit wird in vielen Fällen am Ende der stärkere Teil der Tulpe überleben und das ist eben die rote Tulpe in der Züchtung. Das heißt, dass wenn sie regelmäßig wiederkommt, sie sich vielleicht irgendwann rot färben wird (Funfact: Das kann auch bei der „Darwin-Hybrid Tulpe“ passieren)
Dieses Phänomen hat schon so manchen Hobbygärtner beim Anlegen von Beeten enttäuscht, denn wenn plötzlich ein grelles Rot aus der blass rosa Zwiebel hervorlugt ist das Farbkonzept des Beetes völlig durcheinander geraten. Das kann uns im Inneren des Hauses zum Glück nicht so schnell passieren, da man ja mehr Einfluss darauf hat, wieviel Rot es am Ende sein darf, aber auch hier wartet manches Mal die ein oder andere Überraschung.
Der aufmerksame Leser erinnert sich vielleicht noch an meinen Artikel zu Weinrot im Herbst 2021. Für alle anderen hier nochmal zur Erinnerung:
„Doch wie steht es eigentlich um die allgemeinen Assoziationen? Von der Leidenschaft, über die Aggression, bis hin zur Warnung ist alles dabei, was laut ist. Die Farbe schreit einem quasi entgegen. Will ich Aufmerksamkeit, dann wähle ich ein kräftiges Rot. Die Wahrnehmung ändert sich aber, sobald man einzelne Nuancen gesondert betrachtet. Ein dunkles Rot, wie z.B. Weinrot, hat gleich eine viel leisere Wirkung. Es wirkt exquisit, tiefgründig und sinnlich. Dunkelroter Samt oder Wein galt früher als absoluter Luxus und war nicht in jedem Haushalt präsent.“
Vom Weinrot sind wir hier nun meilenweit entfernt. Tulpenrot knallt und eignet sich somit besonders für Statement Pieces in der Einrichtung. Als Einzelfarbe lässt sie sich wunderbar in ein sonst eher zurückhaltendes Farbschema wie zum Beispiel beige integrieren. Sie eignet sich allerdings nicht als Begleitfarbe, denn dieser Farbton will Aufmerksamkeit! Man kann Tulpenrot aber dennoch sehr gut mit diversen Farben kombinieren. Besonders schön finde ich die Kombi mit mehreren Grüntönen bis hin zu Petrol. Auch mit unterschiedlichen Violetttönen oder dunkleren Blautönen lässt sich eine harmonische Einrichtung erzielen.
Allerdings muss man sich bei der Nutzung eines so knalligen Rots durchgängig im Klaren darüber sein, dass das rote Objekt immer herausstechen wird. Wir haben zum Beispiel in unserem Schlafzimmer diverse zurückhaltende Grüntöne, ein wenig blasses Blau und Weinrot als Einrichtungsfarben gewählt, aber in unserem grünen Bettüberwurf (ein wunderbarer Quilt, den wir zur Hochzeit geschenkt bekommen haben) ist eine kleine Reihe Patches in einem knalligeren Rot; und wenn ich im Dämmerlicht vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer schaue, leuchtet mir das Rot entgegen, obwohl es nur einen verschwindend geringen Teil an der Gesamteinrichtung ausmacht. Es bleibt mir also nichts anderes übrig als Tulpenrot mit in die Farbpalette aufzunehmen, was allerdings nicht so schlimm ist, denn im ersten Moodboard für das Schlafzimmer tauchte ein knalliges Rot schon einmal als Akzentfarbe auf (Das Moodboard orientierte sich am Wald und auf einem Bild waren sehr knallige rote Beeren, die ich erstmal als Inspiration für eine Akzentfarbe mit aufgenommen hatte). Da sich Themen wie Akzentfarben in unserer Einrichtung bisher noch hinten anstellen mussten, hat der Quilt nun dafür gesorgt, dass der Prozess der Entscheidungsfindung, welche Farbe im Zimmer am lautesten sein darf, in diesem Fall obsolet wird.
Ergo: Ein Einrichtungsgegenstand, den man besonders gern mag, kann einem manchmal die Farbrichtung diktieren und dann sollte man auch durchaus mutig sein und ruhig mal riskieren, die knallige Farbe, die dieses Stück mit sich bringt, zu unterstützen, statt zu versuchen, sie zu kaschieren. Ich zumindest freu mich schon auf das Resultat, denn unser Schlafzimmer wird etwas mehr an Leuchtkraft gewinnen, wenn ich fertig bin.
Wenn Sie generell gerne mehr lesen wollen: Alle 3 Monate schreibe ich hier zu den Themen Design, Umwelt, Reisen oder eben auch zu Darwinismus und knalligen Patches in Quilts.
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*Quelle: Aus dem Lied „Tulpen aus Amsterdam“ von Mieke Telkamp